Modernisierung der Spielmannszüge
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Modernisierung der Spielmannszüge
von stefan1812 am 20.06.2011 22:47Hallo!
Was ist da dran? Gibt es das nur in Niedersachsen? Warum? Ist Niedersachsen doch kein Bundesland mit traditionellen Spielmannszügen?
Die Spielmannszüge in Niedersachsen haben sich in den vergangenen Jahren radikal verändert. Statt nur alte Märsche zu spielen und in Reih und Glied aufzutreten, prägen immer öfter Pop- und Rocksongs das Repertoire, Choreographien, Cheerleader und Entertainment das Aussehen der Züge. „Von den rund 480 Vereinen im Land gibt es viele, die sich sehr gut entwickelt haben“, sagt Ralf Subat, Landesmusikdirektor für Spielleute im Niedersächsischen Musikverband.
Natürlich gebe es auch Vereine, die unter Mitgliederschwund litten, doch die Zahl der Musiker in Niedersachsen sei gestiegen. „Niedersachsen ist ein Spielleuteland“, sagt auch Aloys Grba vom Musikverband Niedersachsen. Rund 22.000 aktive und noch einmal etwa 22.500 passive und fördernde Mitglieder bestimmen das Vereinsleben. „Das ist mehr als in allen anderen Bundesländern“. dpa
Spielmannszüge genießen in Niedersachsen seit Generationen einen guten Ruf. Doch den Musikkapellen geht immer häufiger der Nachwuchs aus. Mit modernen Konzepten, tanzenden Cheerleadern und jeder Menge Rock und Pop wollen viele Vereine das ändern. Mit Erfolg.
Auch der Fanfarenzug Thönse, will mit Rock und Pop gegen den Mitgliederschwund kämpfen.
© dpa
Für Bundespräsident Christian Wulff war es ein schöner Empfang in der alten Heimat. Als der einstige niedersächsische Ministerpräsident Mitte Mai zu seinem Antrittsbesuch im neuen Amt in die alte Heimat Hannover kam, stand auch der Fanfarenzug Thönse Spalier. Doch anstatt die Niedersachsenhymne zu spielen oder einen Klassiker der Marschmusik, kam die Melodie von Michael Jacksons „Beat It“ aus den Trompeten.
Für Passenten ein ungewöhnliches Bild, für Kenner der Szene nichts Besonderes. Denn die Spielmannszüge Niedersachsens haben sich in den vergangenen Jahren radikal modernisiert: Statt Märschen werden nun Pop- und Rocklieder gespielt. Statt in Reih und Glied zu marschieren, begleiten nun auch immer öfter Cheerleader die Züge.
Rund 460 Spielmannsvereine gibt es in Niedersachsen, mehr als 22 000 aktive Mitglieder und noch einmal 22 500 passive und fördernde. Es sind Blasorchester, Fanfarenzüge, Showbands oder Drumcorps, die früher vor allem bei Faschingsumzügen, Schützenmärschen oder Schrebergartenfeste spielten. „Niedersachsen ist Spielleuteland“, sagt Aloys Grba vom Musikverband Niedersachsen. „Die Vereine haben sich sehr stark gewandelt, benutzen andere Instrumente und geben mehr Geld aus, um sich qualifizierte Ausbilder leisten zu können.“
Doch die positive Entwicklung ist neu. „Vor ein paar Jahren waren Spielmannszüge sehr stark überaltert“ sagt Ralf Subat, Landesmusikdirektor für Spielleute im Niedersächsischen Musikverband. „Die Mitliederzahlen gingen runter, es fehlten attraktive Programme, immer weniger junge Menschen wollten mitspielen.“ Wollten Spielmannszüge überleben, mussten sie ihr Angebot verändern. So wie es die Leinegarde aus Neustadt am Rübenberge gemacht hat.
Seit 1964 gibt es den Musikcorps des Deutschen Roten Kreuzes. Ende der 1990er-Jahre suchten die Macher ein neues Konzept, um Nachwuchs zu gewinnen. „Wir wollten keine alten Märsche mehr spielen, sondern das, was die breite Masse hören will“, sagt Thomas Lupke aus dem Leinegarde-Vorstand. Neue Mitglieder ließen sich nur begeistern, wenn man bei Auftritten auch die Zuschauer begeistert. Der Verein sortierte also alte Musik aus und lernte Pop, Rock und Schlager. Anstatt starr zu marschieren, gibt es jetzt lockere Choreographien.
Auch ihr Aussehen reformierte die Truppe radikal: Statt klassischer Uniform tragen die fast 80 Mitglieder dunkle Anzüge und schmale Krawatte, dazu Lackschuhe und einen Hut, wie ihn der Jazzsänger Roger Cicero trägt. „Wir haben uns stark am Berliner Musiker Peter Fox orientiert. Das war damals vielleicht sehr mutig, inzwischen aber einfach nur modern.“
Für ihr Experiment wurde die Leinegarde mit viel Lob und Auftritten belohnt - und mit vielen neuen, jungen Mitgliedern. „Unser einziges Honorar ist der Applaus unserer Zuschauer. Wenn dann auch 13-Jährige im Publikum stehen und sagen „Cool“, haben wir alles richtig gemacht.“ Und je mehr man das Publikum begeistere, desto eher würden auch junge Menschen mitmachen wollen.
Der Fanfarenzug Alt-Linden von 1964 aus Hannover hat ähnliche Erfahrungen gemacht. „Wir sind inzwischen nicht mehr für klassische Marschmusik bekannt, sondern für gute Stimmung“, sagt der Vorsitzende Lars Behnsen. Auf Schützenfesten spielt der Zug gerne Schlager von Boney M. oder begleitet seine Cheerleader mit Samba-Rhythmen. „Wir wollten weg von den Märschen und hin zum Entertainment.“ Gerade die Öffnung für Frauen und Mädchen als Musikerinnen oder Cheerleader habe den Fanfarenzug sehr zum Positiven gewandelt.
„Bei den Spielmannszügen in Niedersachsen hat sich viel verändert in den vergangenen Jahren“, sagt Dieter Buschau, verantwortlich für den Bereich Musik in Bewegung vom Musikverband Niedersachsen. Buschau gibt regelmäßig Seminare für Spielmannszüge im Bundesland und daher einen guten Überblick über die Szene. „Gerade auf dem Land konkurrieren Spielmannszüge inzwischen sehr stark mit Musikschulen.“ Eltern würden ihre Kinder dort hin schicken, damit sie eine musikalische Ausbildung bekämen. „Die Betreuung hat sich sehr professionalisiert. Daher sehe ich es auch positiv, wenn mit modernerer Musik und modernerem Auftreten gerade junge Menschen die Vereine am Leben erhalten.“
Auch gäbe es inzwischen immer mehr Vereine, die nicht nur moderne Popmusik spielen, sondern auch traditionelle Lieder aus anderen Kulturkreisen. „Gerade aus Osteuropa sind viele Menschen zu uns gekommen.“ Das Einstiegsalter liegt zwischen sieben und zehn Jahren. Wenn die jungen Menschen dann irgendwann in die Pubertät kämen, mache es mehr Sinn, Musik aus ihrem Umfeld zu spielen statt alter Märsche. „Natürlich gibt es aber auch die traditionellen Vereine, die nur Lieder wie „Alte Kameraden“ spielen. Die haben dann aber oft auch ein Nachwuchsproblem.“
dpa
Re: Modernisierung der Spielmannszüge
von catt am 21.06.2011 10:26Also, dann werde ich als Niedersachse mal meinen Senf dazu geben!
Die hier zitierten Vereine, wie zB die Leinegarde (die ich persönlich kenne, denn meine Brüder spielen dort) sind meiner Meinung nach wirkliche "Vorzeigevereine"!!!
Wenn man die Leinegarde sieht, merkt man das alle an dem was sie da spielen Spass haben! Und Mitgliederprobleme kennen die, glaube ich, nicht! Es gibt ja seit vielen Jahren die (K)Leinegarde., die den Nachwuchs sichert.
Was ich bemerkenswert finde ist, das in Neustadt am Rübenberge noch viele andere Musikzüge und Spielmannszüge existieren. Hier sind aus der Kernstadt zum Beispiel die Wölper Löwen zu nennen, als auch die 3!!! Spielmannszüge des TSV und der Neustädter Spielmannszug und es gibt noch weitere!!!
Hier haben also neben den modernen Musikzügen auch klassische Spielmannszüge überlebt. Was ja dann dafür spricht das auch klassische Spielmannszüge überleben können.
Ich wohne ja nun in Wunstorf, einer ähnlich großen Nachbarstadt wie Neustadt und hier gibt es in der Kernstadt nur zwei Musikvereine.
Zum einen die Wunstorfer Auetaler, die ein sehr moderner Musikzug sind. Und dann "uns" den Spielmannszug des Jägercorps Wunstorf.
Wir haben bis vor zwei Jahren überwiegend klassische Spielmannszugmusik gemacht. Ces- Stimmung, Sandnerflöten, Lyra, Snare, große Trommel und Becken. Auch wir standen mit dieser traditionellen Besetzung vor dem Aus und haben uns in ein modernes Flötenorchster umgewandelt, bzw. sind mitten im Wandel.
Nachdem wir Ende 2009 nur noch 9 Mitglieder hatten sind es nun schon 20. Wir spielen nun mit Konzertflöten, Schlagzeug und manchmal sogar E-Bass oder Keyboard. Natürlich verdienen wir unser Geld immernoch mit den Schützenausmärschen und ähnlichem, so dass in unserem Repertoire neben neuen, modernen Stücken auch einige alte Stücke geblieben sind.
Ich kann also aus eigener Erfahrung berichten, das wir als klassischer Spielmannszug heute nicht mehr existieren würden und nur duch die Veränderung heute wieder erfolgreich Nachwuchs haben und auch die Auftritte endlich wieder mehr werden!!!
Aber ist das wirklich nur in Niedersachsen so??? Ich kann es mir nicht vorstellen!!!
Lg Catt
Lg Carolin
Spielmannszug des Jägercorps Wunstorf von 1854 e.V. (bei Hannover)
Re: Modernisierung der Spielmannszüge
von MeLodY_PrIncEss am 21.06.2011 10:48Hallo =)
Als ich in meinen Verein einstieg haben wir damals sehr viele Märsche gelehrnt...
Doch seit einem Jahr spielen wir auch Böhmflöte. Wir haben viele moderne Titel da die uns einfach mehr Spaß machen und das auch den ganz kleinen besser gefällt und bis jetzt kam es gut an. Trotzdem spielen wir natürlich auch Märsche bei Umzügen
LG Steffi
P.S.: ich komme aus Brandenburg =D
Re: Modernisierung der Spielmannszüge
von the-x-pack am 22.06.2011 08:42Hallo,
wie pflegen in unserem Verein immer noch den "alten" Stil. Unser Repertoire besteht ausschließlich aus Dienststücken und Märschen, sieht man mal von den St. Martinsliedern und den Stücken für Karneval ab.
Auch was die Instrumente angeht sind wir ein klassischer Spielmannszug mit Sopranflöten, kleinen Trommeln, Lyra, großer Trommel und Becken.
Wir sind ein kleiner Verein mit 23 aktiven Spielleuten und über Nachwuchs können wir uns eigentlich nicht beklagen. Auch was unser Auftreten und unseren Stil angeht erhalten wir bei unseren Auftritten durchweg positive Resonanz.
Aber in unserer Region kann ich auch beobachten, wie sich manche Vereine weiterentwickeln. Der Fokus dieser Vereine liegt dabei dann zum einen Teil mehr auf "Unterhaltung" wie z.B. das Spielen von Pop-Stücken oder zum anderen Teil macht man eine Stiländerung in Richtung holländischem Stil. Letzteres wird durch unsere unmittelbare Nähe zu den Niederlanden begünstigt.
Ich persönlich ziehe unsere traditionelle Spielweise den oben genannten Weiterentwicklungen vor, aber das am Ende eine Geschmacksfrage. Jedoch nicht nur eine Frage des eigenen Geschmacks sondern letzten Endes auch des Geschmacks des Publikums.
Gruß
Marc
Re: Modernisierung der Spielmannszüge
von Nachtwache am 22.06.2011 14:22@ catt
das ist so eine aussage, die man bei "modernen spielmannszügen" immer mal wieder hört. und ich finde das schon sehr seltsam.
wenn ich deine aussage nämlich mal etwas provokant runterbrechen darf, macht ihr gerne musik, die euch gefällt, aber dem publikum nicht. es gibt also kein geld.
damit ihr finanziell existieren könnte, macht ihr musik, die dem publikum gefällt, aber (vielen von) euch nicht.
naja, manche leute machen für geld eben alles.
[provokation ende]
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Re: Modernisierung der Spielmannszüge
von Janni am 22.06.2011 15:05Hallo,
Ein Verein braucht doch nun mal Geld um existieren zu können. Ich verstehe deine Aussage aber auch nicht ganz. Catt hat geschrieben, dass sie nach dem Umstieg auf ein modernes Spielleuteorchester mehr Zuwachs bekommen haben. Folglich hieße Das doch, dass die Spielerinnen und Spieler noch mehr Spaß daran haben müssten (Sonst wäre ja kein Zuwachs da).
Wenn ich Das mal in deine Aussage reinsetze, dann hieße das ja folgendes:
Die Spieler haben Spaß an moderner Musik, aber das Publikum nich!
Die Spieler mögen die trad. Musik nicht, dafür aber das Publikum!
Ist das so richtig?
LG Jan
Re: Modernisierung der Spielmannszüge
von Nachtwache am 22.06.2011 15:49ja, genau deine letzte aussage trifft ja meine provokation.
Verbietet Blasmusik - Bürgerinitiative Jericho
Re: Modernisierung der Spielmannszüge
von Janni am 22.06.2011 15:56Dann ist meine Frage:
Warum hat das Pubklikum kein Spaß an moderner Musik?
Re: Modernisierung der Spielmannszüge
von MeLodY_PrIncEss am 22.06.2011 16:47Ich hatte anfangs bedenken ob die ältere Generation unsere ,,modernere" Musik gut finden würden ,
aber es kommt bei uns immer bei jeden gut an. Natürlich kommt es auch drauf an wie man es rüberkommt.
Bei uns macht die Musik immer spaß
LG Steffi
Re: Modernisierung der Spielmannszüge
von Nachtwache am 22.06.2011 17:13Warum hat das Pubklikum kein Spaß an moderner Musik?
die frage müsste wohl etwas spezifiziert werden.
warum hat das ZAHLENDE publikum keinen spaß an moderner musik?
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