Übungsmoral
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Re: Übungsmoral
von fauwly am 15.06.2011 11:40Hallöle !
In der Vergangenheit habe ich viele Gespräche zu dem Thema geführt. Immer wieder kamen Themen wie…. mangelnde Motivation, zu wenig Engagement durch bestimmte Musiker, Unpünktlichkeit oder einfach nur schwacher Probenbesuch etc. auf.
Man kann sich als Verein oder Gruppe nicht davor verschließen, dass in unserer
sehr schnelllebigen Zeit viele aktive Musiker und Musikerinnen durch einen anspruchsvollen Beruf (auch Schichtdienst), die Ausbildung oder die Schule, ein immens großes Freizeitangebot oder privater bzw. persönlicher Probleme nicht immer (regelmäßig) an Proben und Auftritten mitwirken/ teilnehmen können.
Wenn man ehrlich zu sich selber ist, ist eine regelmäßige Anwesenheit bei Proben oder Auftritten nicht immer möglich.
Natürlich, es gibt Musiker/ Musikerinnen, deren Lebensinhalt ist die Musik und die engagieren sich in jeder freien Minute für die Belange und das Wohl des Vereins. Jeder Verein oder Vereinsvorstand würde sich für eine dauerhafte Lösung dieser o. g. Probleme ein Wundermittel wünschen … nur leider gibt es das Wundermittel nicht ! Jedes Problem verlangt nach einer individuellen Lösung. Es gibt KEIN Wundermittel ! Warum ist das so ? Jeder Mensch lässt sich von anderen Gefühlen, persönlichen Einstellungen und Zielen leiten. Etwas vorgeschrieben oder diktiert zu bekommen mag nicht jeder Mensch !
Viele Gruppen stehen oft vor dem Problem, dass ihre Musiker und Nachwuchsmusiker keine langfristige Bindung an den Verein oder das Orchester eingehen wollen oder können.
Bei vielen guten Nachwuchsmusikern ist die musikalische Laufbahn bereits beendet, bevor sie richtig in Schwung kam. Auch hier können die Gründe sehr unterschiedlich sein. Gerade bei Nachwuchsmusikern ist zu beobachten, dass beim Auftreten erster Probleme der Spaß und die Lust verloren geht. Weil nicht zum richtigen Zeitpunkt Lösungen durch Ausbilder oder auch Musiker gefunden werden. Also bleibt der Weg des geringsten Widerstandes … aufhören oder bockig werden! Gleiches gilt auch für Menschen/ ältere Musiker, die von jetzt auf gleich auf Noten umstellen müssen oder sollen !!!!
Bleibt nur die Motivation und für jedes Problem/ Bedürfnis eine Fördermaßnahme oder Lösung finden! Förderung des Gruppenzusammenhaltes oder der Gruppendynamik (Musik ist ein Mannschaftssport kein Einzelwettkampf)! Ausflüge, Vergleichswettkämpfe, Grillabende, Zeltwochenenden, D- Lehrgänge, Ansprechpartner bei Problemen bennen etc.
Aber Achtung immer bezogen auf den eigenen Verein, nicht das was andere Vereine so treiben. Die haben andere Sorgen und Probleme !!!!
Werte- und Normen eines Vereins müssen durch die Vereinsmitglieder vorgelebt werden. Perspektiven für Musiker müssen immer auch aufgezeigt werden.
Fragen über Fragen:
Sind die Ausbilder, Dozenten, musikalischen Leiter etc. heutiger Spielmannszüge überhaupt in der Lage fachlich, sozial und viel wichtiger motivierend mit den Musikern im Verein zu arbeiten oder umzugehen ? Ist mein Dirigent nach 20 Uhr selber noch motiviert ? Sind Dirigenten/ Ausbilder etc. einfach überfordert, um nach einem achtstündigen Arbeitstag noch etwas zu vermitteln und Begeisterung zu schüren bzw. zu wecken ? Hat ein großer Teil der aktiven Orchesterleiter jemals etwas von Probenmethodik, Probenpädagogik oder Probendidaktik gehört und wendet sie erfolgreich im Orchester an ? Wie bereiten Verantwortliche Proben vor ? Leben sie musikalisch in der „Jetztzeit“ oder noch in der Vergangenheit ? Werden stundenlang die gleichen Stellen in einem Musikstück geprobt und hängt allen Leuten zum Halse heraus ? Warum werden oft junge Kolleginnen oder Kollegen, die gerade ein C Zertifikat erworben haben und erstmalig vor dem Orchester stehen, von vielen älteren Musikern angefeindet ?
Vor 30 – 40 Jahren sah das Gesellschaftliche Leben anders aus als HEUTE. Die Menschen waren anders geprägt, die Freizeitangebote nicht so enorm wie derzeit.
Ist immer der Musiker, der fehlende Musiker oder der Musiker, der aus welchen Gründen auch immer den Proben fern bleibt Schuld oder ein Musiker auf den man verzichten kann bzw. sollte ?
Ist es vielleicht auch fehlende Führungs- und Fachkompetenz bei Verantwortlichen, geringe Wertschätzung durch andere Musiker oder Führungskräfte ? Ist es vielleicht fehlende Geborgenheit, Toleranz und Sicherheitsgefühl in der Vereinsumgebung, die Musiker fehlen lässt ? Cliquenbildung, die Musiker abschreckt ? Sind das alles wirklich auch meine Ziele, was da fünf Personen im Vorstand beschlossen haben ? Kann fehlen nicht auch stiller Protest sein ? Gibt es eine gute Aufgabenverteilung im Verein, wo alle verantwortungsvoll handeln müssen ? Wie ist es um die Umgangskultur wirklich bestellt ?
Ein nicht unerheblicher Grund für das Scheitern vieler Orchester und Gruppen ist die fehlende „Motivation“ (Ziele sind sicher eine gute Motivation aber nicht das alleinige Glückseeligkeitsmittel) !!!
Motivation bedeutet immer auch Freude am tun und die Bereitschaft zum Handeln zu vermitteln- also Freude an der Musik und am Musizieren zu vermitteln ! Kann das aber jeder ? Motivation ist wie eine Uhr die ständig laufen muss. Hält man sie an zerbricht alles.
Ein Orchester zu leiten heißt auch Menschen zu führen …. sie zusammenhalten und zu begeistern … oftmals hilft auch ein gutes Gespräch … unter Freunden.
Man bedenke auch immer, dass zu 90 % Laienmusiker mit Laienmusikern arbeiten.
Das ist nicht böse gemeint – im Gegenteil in Zeiten wie diesen wahrhaftig eine tolle Sache.
Allerdings gibt es kein Wundermittel, dass alle Vereine bei gleichen Problemen anwenden könnten.
VG
http://mammusic.de.tl/ Ihr Fachverlag in Sachen (Spielleute-)"Musik und Mehr"
Fachbericht zum Thema:
"Interpretation im Spielleutebereich"
Die Querflöte (Böhmflöte)
Re: Übungsmoral
von BO-7 am 15.06.2011 19:12Ganz Ehrlich: Ich bin Hin und Weg!
Da hat Fauwly wichtige Punkte getroffen und interpretiert.
Und ich kann nur bestätigen: Es ist ein ständiger Kreislauf zwischen Selbstmotivation und Motivation der Kameraden, dem finden immer neuer Wege und Möglichkeiten. Die Zeit ist nun einmal sehr schnelllebig und genau so schnell sollte man versuchen, sich anzupassen und zu agieren. Nur zu reagieren kann manches mal schon zu wenig sein, vermeiden lassen sich Rückschläge aber auch dann nicht immer.
Und darum den höchsten Respekt für diejenigen, die immer wieder ihre Energie für ein solch schönes Hobby und ihre Kameradschaft und Gemeinschaft mobilisieren.
Viel Kraft, Ausdauer, Ideen und Erfolg allen, die ihr Hobby und ihren Verein lebendig halten und gestalten wollen, denn wir alle (über-) leben durch diesen Einsatz.
LG
Holger
Warum soll alles grau und trist sein. Bunt soll es sein, am besten Rot und Gold...sonst wäre das Leben halb so schön!!!
www.VTC-Bochum-Werne.de
Re: Übungsmoral
von catt am 15.06.2011 21:46@ fauwly:
Dein Beitrag ist klasse! Dem gibt es nix hinzuzusetzen! Ich hab mich an einigen Stellen gefragt, warum du über meinen Verein schreibst;) In einigen Punkten finde ich uns haargenau wieder!
Lg Catt
Lg Carolin
Spielmannszug des Jägercorps Wunstorf von 1854 e.V. (bei Hannover)
Re: Übungsmoral
von flutino am 16.06.2011 23:03@ Fauwly
Ich würde gern mal bei Dir Rhetorikunterricht nehmen, Du kommst mit allem was Du da schreibst auf dem Punkt...echt mein höchsten Respekt.....dein Bericht trifft es genau !!!!!!!!!!!!!!
Musik schafft Freu(n)de
Grüße aus Erftstadt
Deutscher Meister 2010 der BDMV
Flutino
Re: Übungsmoral
von MundU am 17.06.2011 09:51Ja, ich kann mich euren Aussagen nur anschließen! Der Eintrag von Fauwly ist klasse. Viele Spielmannszüge oder besser, viele Musikgruppen werden sich hier wiedererkennen.
Wünsche allen ein schönes Wochenende!
Re: Übungsmoral
von the-x-pack am 22.06.2011 08:26Hallo,
ich kann Fauwly auch einfach nur zustimmen. Er hat mir vielen seiner Argumente und Fragestellungen die Dinge getroffen, an denen es in unserem Verein mangelt, bzw. an denen es hakt.
Haupt verantwortlich für eine lang anhaltende Motivation sind in meinen Augen diejenigen Personen, die freiwillig (!) Ämter und Posten in einem Verein übernommen haben und sich somit in den Dienst der Gemeinschaft stellen. Natürlich sollte sich jedes einzelne Vereinsmitglied im Rahmen seiner Möglichkeiten in den Verein einbringen, dies gilt jedoch für die erstgenannten Personen im besonderen Maße.
In der heutigen Zeit finde ich es persönlich auch extrem wichtig, flexibel auf die Wünsche und Bedürfnisse seiner Mitglieder einzugehen. Wie Fauwly schon schrieb ist ein "Diktat" von oben eher kontraproduktiv, da damit die Motivation und Kreativität des Einzelnen darunter leiden kann.
"Jeder Jeck ist anders!" wie man so schön sagt und die Kunst ist, die verschiedenartigen Charaktere, Vorstellungen und Wünsche unter einen Hut zu bringen.
Gruß
Marc
Re: Übungsmoral
von Guenni am 22.06.2011 11:50Da haben wir bei uns im Verein wieder das Problem,
was ich seit geraumer Zeit beobachte.
Ein junges Mitglied besucht den D1 Lehrgang,
besteht sehr Erfolgreich, erhält die Urkund und Nadel,
um dann 3 Wochen später aufzuhören / auszutreten.
Und das ist leider nicht das erste mal, das uns das passiert.
Re: Übungsmoral
von the-x-pack am 22.06.2011 13:21Hallo Guenni,
ich fände es interessant zu wissen, WARUM dieses junge Mitglied aus dem Verein austritt! Zumal es, wie du schreibst, nicht das erste mal ist.
Wenn jemand einen D-Lehrgang besucht, diesen dann auch noch "sehr erfolgreich" besteht zeigt es doch, dass derjenige Ehrgeiz hat und mit Spaß bei der Sache ist. Denn ohne den Spaß bzw. der Lust an Musik besteht man nicht mal eben "sehr erfolgreich" den D1 Lehrgang. Ich habe zwar selbst den Lehrgang (noch) nicht besucht, aber nach allem was ich gehört und gelesen habe handelt es nicht um einen Anfängerlehrgang der vom Teilnehmer schon etwas abverlangt.
Passen da die Erwartungshaltung des Spielmanns und Vereinsalltag nicht überein?
Ich versuche derzeit auch, das Spiel nach Noten in unserem Verein zu etablieren. Dabei stoße ich immer wieder auf Widerstand und habe übe mich, was meinen Eifer und Enthusiasmus angeht, in vornehmer Zurückhaltung, um den "Meckertanten" nicht noch mehr Futter zu liefern.
ABER: es ist auf Dauer frustrierend zu sehen, dass die Zeit und das Engagement, welches man in dieses Projekt investiert, beinahe systematisch torpediert wird. Da fragt man sich dann schon, ob und wie lange man sich diesen Frust noch antun will, denn eigentlich hat man Spaß an der Sache und will diesen Enthusiasmus auf die übrigen Spielleute übertragen.
Was ich damit sagen will: ich würde mich musikalisch gerne weiterentwickeln bin aber skeptisch, ob das in meinem Verein möglich ist. In letzter Konsequenz würde das Bedeuten sich selber die Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen man seine Ziele verwirklichen kann, auch wenn das ggf. ein Austritt aus dem Verein bedeuten würde.
Ggf. geht es euren Absolventen des D1-Lehrgangs ähnlich?
Gruß
Marc
Re: Übungsmoral
von Guenni am 22.06.2011 15:23Hallo the-x-pack,
genau das ist ja ein / das Problem, das sie ohne
richtige Gründe gehen (Schule wird meiner
Meinung nach oft als Alibi Funktion genant).
Es ist aber auch schon passiert, das ein Mädchen
aufgehört hat, mit der Begründung, Schule, andere Hobbys
(hier z.B. Kolping) usw. um sie beim nächst besten Fest
beim Örtlichen Musikverein wiederzusehen. Hat aber auch hier
bei uns die Grundausbildung und den D1 gemacht.